Schon länger hatte ich mit dem Gedanken gespielt, mir einen E-Book Reader zuzulegen, aber es haperte bei diesen Geräten doch irgendwie immer irgendwo. Vor allem in Deutschland ist der Markt einfach noch zu jung gewesen, entsprechend haperte es an brauchbaren Geräten und insbesondere an dem nötigen Futter für diese Geräte. In den USA ist der Kindle von Amazon schon seit einigen Jahren der Topseller schlechthin, und auch die Konkurrenz, insbesondere Barns & Nobles, mischt tatkräftig mit. Und Deutschland? Dümpelte irgendwo zwischen Not und Elend umher. Es gab hier und da einen Reader von Sony und Konsorten, aber keine nennenswerte Anlaufstelle die man wirklich empfehlen konnte.
Mittlerweile sieht die Situation bedeutend anders aus – bedeutend besser, um genau zu sein. Thalia hat sich als recht starker E-Book Anbieter herausgebildet, und der Oyo (bzw. Oyo 2) ist auch ein nettes Gerät, wenn auch nicht state-of-the-art. Und dann kam Amazon mit dem Kindle über Zwischenstufen (zunächst als offizieller Import) endlich nach Deutschland. Was mich immer am meisten gestört hat: Die Tastatur, die unten an dem Gerät angebracht war. Für meine Anwendungsfälle wirklich unnötig, da die Bücher viel angenehmer über die Amazon Website gekauft werden können und von dort aus an den Kindle als auch an alle anderen Kindle Apps gesendet werden können. Entsprechend fand ich den Kindle der dritten Generation für mich eher uninteressant. Und siehe da, Ende September kündigte Amazon endlich meinen Wunschkindle an: Keine Tastatur mehr. Dieses Argument trifft auch auf den neuen Kindle touch zu, aber den gibt es noch nicht in Deutschland. Der neue Kindle 4 ist dafür leichter, hat kein 3G (nicht mal optional) und ist schlicht auf das Wesentliche reduziert – und mit 99€ auch spottbillig. Ich habe das Gerät dann direkt vorbestellt und pünktlich am Releasetag im Oktober diesen Jahres in den Händen gehalten.
Da ich den Kindle 3 schon vorher mal ausprobieren konnte wusste ich, was mich erwarten würde: Ein Lesegerät, ideal für Fließtext und sonst nichts. Der Bildschirm ist schlicht der absolute Knaller. Als ich ihn das erste Mal sah, dachte ich, dass auf dem Display noch die Schutzfolie klebte, und wollte diese gerade abziehen – als ich dezent darauf hingewiesen wurde, dass es nur der Stand-By Bildschirm sei. Da das E-Ink Display nur dann Strom verbraucht, wenn umgeblättert wird, bietet sich diese Lösung ja auch geradezu an – und wird beim werbefinanzierten Kindle (nur in den USA angeboten) auch ausgenutzt, indem das Gerät dort im Standby einfach Werbung anzeigt.
Der Kindle 4 hat so ziemlich den gleichen Bildschirm wie der Kindle 3, wenn überhaupt hat sich nur marginal etwas verändert. Größe und Auflösung sind identisch, das Umschalten der Pigmente geht immerhin so flott voran, dass es beim Umblättern von Seiten nicht stört. Hier ist mir aber auch schon eine erste Ungereimtheit aufgefallen: Ein kompletter Refresh des Bildschirms findet im Auslieferungszustand nur alle 6 Seiten statt. Das soll dafür sorgen, dass die Ausdauer des Akkus verlängert wird und das Umblättern noch schneller voran geht, und sorgt dann z.B. auch dafür, dass Amazon als Ausdauer z.B. 40.000 statt 4.000 Seiten angeben kann. Mich nervte das dann aber doch recht rasch, denn wenn kein kompletter Refresh des Bildschirms zwischen zwei Seiten stattfindet, entsteht Ghosting. Abhilfe schafft hier das Update der Software auf Version 4.0.1, welches aber manuell von der Amazon Website heruntergeladen werden muss – der Kindle selbst weist einen nicht darauf hin. Nach Abschluss des Updates kann man aber wählen zwischen Refresh nach jedem Umblättern oder nach jedem 6. Mal.
Das erste, was man macht, wenn man seinen nagelneuen Kindle in den Händen hält? Stöbern! Im Auslieferungszustand ist bereits der Account, mit dem man den Kindle bestellt hat, angemeldet. Mich hat nur gewundert, dass ich mit meinem Konto bei Amazon.com angemeldet war, obwohl ich bei Amazon.de bestellt hatte. Erst als ich von Amazon.de eine Leseprobe an meinen Kindle schicken wollte, wurde ich gefragt ob ich die Region wechseln möchte. Der Vorgang des Stöberns auf der Website ist übrigens fantastisch gelöst: Gefällt mir dort ein Buch, kann ich es gleich bestellen oder per Knopfdruck eine Leseprobe an den Kindle schicken – wenn dieser im WLAN eingeloggt ist, erscheint dort innerhalb weniger Sekunden das Buch auf dem Hauptbildschirm. Einfach magisch. Der Shop ist aber auch ganz gut in den Kindle selbst integriert.
Nachdem ich mir ein paar Leseproben geschickt hatte, war der Hauptbildschirm schon gut gefüllt mit unsortierten Büchern. Um Herr der Lage zu werden, habe ich also erstmal einen Ordner „To-Do-List“ angelegt, und alle Leseproben dort hinein geworfen. Und so handhabe ich das ganze auch weiterhin: Das Buch, was ich aktuell lese, liegt auf dem Hauptbildschirm, der Rest entweder in meinem To-Do Ordner oder in meinem Ordner, ich dem die fertig gelesenen Bücher landen. Irgendwann habe ich vielleicht mal so viele Bücher dort gesammelt, dass ich die nach Genres oder Autoren oder wie auch immer sortieren kann.
Insgesamt aber könnte die Präsentation der Bücher besser sein. Auch wenn das Display nur Graustufen kann, könnte man doch eine Art digitales Bücherregal anregen, wie Apple das in iBooks macht. Vielleicht kommt da ja noch was in der Richtung bei zukünftigen Geräten oder Software Versionen.
Die Leseproben umfassen weitesgehend den Beginn des Buches. Öffnet man ein frisch heruntergeladenes Buch, öffnet sich automatisch die erste Seite des Kapitels. Man kann aber natürlich zurückblättern und sich das Inhaltsverzeichnis und das Cover ansehen, welches ganz gut auf dem Display wirkt. Wäre doch schon, wenn das Cover des zuletzt geöffneten Buches auf dem Standby Screen erscheinen könnte, oder? Die random-Bilder, die dort erscheinen, können aber leider nicht beeinflusst werden.
Möchte man das Buch kaufen, kann man das dann direkt von der Leseprobe aus machen – es wird dann aber als komplettes Buch erneut heruntergeladen und nicht etwa freigeschaltet. Man hat dann also zweimal das Buch, und muss die Leseprobe manuell löschen. Umständlich, aber ok.
Wie ist also das Leseerlebnis auf dem Kindle? Zunächst einmal beginnt man damit, sich die Darstellung des Textes angenehm einzustellen. Es gibt 8 verschiedene Schriftgrößen, mit oder ohne Serifen, kleiner bis großer Zeilenabstand und wenige bis möglichst viele Wörter pro Zeile. Leider gibt es keine Silbentrennung, was mich doch etwas verwundert hat. So ist der Blocksatz oftmals etwas zerpflückt. Hoffe, dass das in Zukunft noch möglich sein wird.
Das erste Buch, was ich direkt auf dem Kindle gekauft und dann auch recht rasch durchgelesen habe, war das Reisetagebuch „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling, was ich schon seit längerer Zeit mal lesen wollte. In Sachen „Digitale Leseerfahrung“, die ich mit diesem Buch gesammelt habe, war ich dann aber durchaus überrascht, wieviele Tippfehler und falsche Wortrennungen in dem Buch enthalten sind. Ich wage zu bezweifeln, dass das in der gedruckten Version auch so ist. Woran das liegt – keine Ahnung, müsste man mal beim Verlag anfragen. Ich hoffe, dass diese Stichprobe ein Einzelfall bleibt.
Das Buch beinhaltet auch viele Fotos, die natürlich recht klein auf dem Bildschirm sind und natürlich auch in Graustufen, die aber denoch ganz gut wirken. Leider sind einige Fotos in sehr niedriger Auflösung, was ich auch dem Verlag als vermeidbare Fehler anlaste.
Dann habe ich mir auch noch ein freies Ebook aus dem Netz geladen, nämlich The Complete Works Of H.P. Lovecraft. Da der Kindle kein E-Pub kann, welches sonst auf allen gängigen E-Book Readern und in so ziemlich allen anderen Bücherstores abseits des Amazon Bookstore der Standard schlechthin ist, muss man auf die .mobi Version zugreifen. Die ist hier zum Glück verfügbar und der heruntergeladene Ordner kann auch einfach auf den Kindle gepackt werden, dann taucht das Buch im Homescreen auf. Aber hier habe ich dann auch schon mal einen Einblick in die Datenformathölle geworfen, die im Ebookmarkt derzeit herrscht. Es gibt nur wenige Bücher zu kaufen, die nicht mit einem Kopierschutz belegt sind, dadurch lassen sich die bei z.B. Thalia gekauften Epub Bücher nicht legal in ein .mobi Format umwandeln. Die ganze Branche wiederholt hier mit Ansage sämtliche Fehler, die die Musik- und Filmindustrie schon durchgemacht hat. Was in höchstem Maße peinlich ist. Amazon kann das eigentlich nur recht sein, da die Kindle Käufer somit komplett abhängig von Amazon sind. Man darf gespannt sein, wie sich diese Entwicklung fortsetzen wird. In Deutschland ist ein Preiskampf derzeit noch nicht möglich, da auch die Ebooks an die Buchpreisbindung gekoppelt sind. Und Platz für mehrere Anbieter, sei es an reinen Downloadshops, Readern oder Anbieter für beides, ist genügend vorhanden. Erwähnt sei hier nochmals Thalia. Totschlagargument hingegen Weltbild, deren 60€ Reader mit unfassbar schlechtem LC-Display ein schlichter Beweis sind, dass sie den Markt nicht verstanden haben. Ich hoffe, dass sie damit nicht zu viele Kunden von dem Markt vergraulen.
Bei Büchern, die es derzeit noch nicht auf dem Kindle gibt, hat Amazon einen Knopf eingefügt, der die Verlage benachrichtigen soll, dass es Interessenten für eine Kindle Version dieses Buches gibt. Was dieser Knopf genau macht, weiß man allerdings nicht. Wie wenig zimperlich Amazon mit den Verlagen umgeht ist auch fraglich, teilweise versuchen sie ja auch schon selbst als Verlag aufzutreten.
Zurück zum Kindle. Der Kindle kann auch pdfs lesen, die man einfach in den Inhaltsorder werfen kann, wenn man das Gerät per USB an den Rechner anschließt. Wichtige Dokumente, die ich regelmäßig als pdf lese, sind vor allem wissenschaftliche Paper (A4 Format, mehrere Spalten im Text, viele Abbildungen) und Vorlesungsscripte (Powerpointfolien als pdf gespeichert, also meist querformat oder zwei Folien auf einer A4 Seite gedruckt). Für beide Fälle ist der Kindle mit seinem 6“ Bildschirm definitiv nicht geeignet. Für eine A4 Seite ist der Screen, selbst im Querformat, einfach zu klein. Das Scrolling geht nur mit sehr großen Sprüngen und dafür ist das Display auch einfach zu langsam. Zoomen geht nur mit Anpassung der Seite an die Bildschirmbreite, nicht jedoch an die Höhe, und dann in weiteren Stufen von 50 oder gar nur 100% Schritten – damit disqualifiziert sich das Gerät auch für die Vorlesungsscripte. Schade, hier wäre mehr Potenzial drin gewesen. Wer hier gehofft hat, mit dem Kindle einen guten Kauf tätigen zu können, den rate ich lieber zum Kindle DX (Kindle mit 10“ Display, leider nur über Amazon.com zu bekommen, recht teuer und immer noch auf Softwarebasis des Kindle 2 verblieben) oder noch besser, zu einem iPad – dort macht das Lesen von pdfs richtig Spaß.
Einen Webbrowser, der zurecht unter der Option „Experimentell“ im Menü des Kindle geführt wird, bringt das Gerät auch mit. Völlig unbrauchbar, da der langsame Bildschirm und das Führen der Maus mit dem Steuerbutton eine reine Qual sind. Ist man mit dem Kindle im 3G Netz unterwegs (nur Kindle Keyboard), kann man nur die englische Wikipedia und die Amazonseiten erreichen, und natürlich den Kindle Bookshop (der allerdings als App, nicht als Website daherkommt). Meine Hoffnung ist daher, dass der Kindle nochmal ein SDK erhält, mit dem die App Entwickler von iOS und Co die Chance erhalten, geeignete Apps für den Kindle zu entwickeln und anbieten zu können. Mein Traum wäre ja, dass ich Apps wie Reeder, Articles (dann macht auch die Wikipedia wieder Spaß), Instapaper und Twitter (a.k.a. Twitterrific) auf dem Kindle nutzen könnte. Derzeit aber absolutes Wunschdenken.
Insgesamt bin ich aber mit dem Gerät derzeit mehr als zufrieden. Ich habe mir eine kompakte Lederhülle dazugekauft, mit der der Kindle sehr gut zu transportieren ist, und in der er auch beim Lesen angenehm zu halten ist. Das geringe Gewicht tut ihr übriges. Der Akku des Gerätes hält ewig, also kann man im Urlaub sein Ladekabel guten Gewissens zuhause lassen. Selbst Vielleser sollten locker durch einen ganzen Monat damit kommen. Der günstige Kindle 4, den ich besitze, hat einen internen Speicher von 2 GB. Das hört sich im ersten Moment als recht wenig an, reicht aber tatsächlich vollkommen für ganze Sammlungen aus. Jedes Ebook ist maximal wenige 100 KB bis ein paar MB groß. Bis man den Speicher damit gefüllt hat, hat das Gerät selbst seinen Lebenszyklus erfüllt, und bei der raschen Entwicklung der Reader derzeit gibt es sicher schon viel fortschrittlichere Geräte. Der Kindle touch gibt die Richtung vor.
Da alle Bücher und auch die Lesezeichen in der Cloud gespeichert werden, kann man auch mehrere Geräte (oder Apps) synchron halten. Ein Umstieg auf ein neueres Gerät wird dadurch auch erleichtert, da man ohne großen Aufwand den kompletten Bestand seines alten Kindles mitnehmen bzw. synchronisieren kann. Das ist sehr komfortabel. Und praktisch, falls der Kindle mal in den Pool gefallen ist oder so.
Es steckt noch viel Potenzial im Kindle bzw. in E-book Readern allgemein. Aber der Markt in Deutschland ist endlich reif. Klarer Kaufbefehl! Frohe Weihnachten.
Servus Timo,
danke für deinen Blogeintrag zum Kindle. Ich hatte lange auf ihn gewartet und wie immer hat es sich gelohnt. Jedoch, und das hatte ich ja bereits via Twitter angedeutet, komme ich zu einem anderen Fazit als du.
Der Grund dafür sind weniger die Unzulänglichkeiten des Kindle, die halten sich in Grenzen auch wenn da noch ausreichend Luft nach oben ist (Touch, Farbe, Illustrationen).
Die primäre Ursache für mich ist jedoch das die Verlage/Amazon, wie du das auch richtig geschrieben hast, dieselben Fehler leben wie damals die Musikindustrie. Sprich Angebot, DRM, Interoperabilität, Preis und lieblose Umsetzungen.
So oder so, ob man sich nun an bestimmten Einschränkungen des Gerätes stört oder an der Marktsituation, man kann unter gewissen Umständen eine Empfehlung aussprechen aber für eine klare Kaufempfehlung, geschweige denn einen klaren Kaufbefehl gibt es zu viele Abers. Die erkennst du zwar, kommst aber eigenartigerweise zum falschen Schluss. Beziehungsweise wird nicht klargestellt was das Killerargument sein soll das diese Abers alle vergessen macht.
Grüße
Steffen