[Storyspoiler erst im zweiten Teil des Textes, dort gibts noch mal ne Warnung]
Whoa, was für eine großartige Prämisse! Ich musste die kurze Beschreibung gar nicht bis zum Ende lesen, schon hat es mich gepackt. Worum geht es? Ascension ist eine Kurzserie über 6 Episoden, die 2014 auf SyFy ausgestrahlt wurde. Stellt euch vor, die Menschheit hätte 1963 eine Gruppe von Freiwilligen auf den Weg nach Proxima Centauri geschickt – eine Reise, die gut 100 Jahre andauert. Dort soll ein neuer Lebensraum gegründet und der Planet kolonisiert werden. An Bord der USS Ascension befinden sich 600 Menschen, die in einem streng hierarchischen System organisiert sind – was auch zu funktionieren scheint.
Das Interessante ist, dass die Serie in der heutigen Gegenwart spielt – im Jahre 2014, 51 Jahre nach Start der Mission. Die Kolonisten feiern diese „Halbzeit“ (51st Launch Day) an Bord, und für den Zuschauer ist dies ein sehr schöner Einstieg um die Organisation und Struktur dieses Raumschiffes kennenzulernen. 51 Jahre, das heißt also auch, dass hier schon viele Menschen in zweiter und dritter Generation leben. Dabei dürfen sich die Menschen nicht beliebig fortpflanzen – ein Computer entscheidet unter den Paaren, die sich gebildet haben, über die optimale Genmischung für das Fortbestehen der Mission, und auch die Anzahl derer, die in jedem Jahr eine Schwangerschaft haben dürfen. Und all das in dem Charme der 60er, was vor allem durch die Literatur und Popkultur deutlich wird die den Menschen zur Verfügung stehen. Der zentrale Innenteil des Schiffes, von dem man zu allen Einrichtungen gelangen kann, wirkt vom Stil her überraschend ähnlich dem Institut aus Fallout 4, mit seinem großen Fahrstuhl zur Brücke im Zentrum. Überhaupt wirkt das Schiff sehr viel anders, sehr viel geräumiger als vielleicht andere große Schiffe aus der Science Fiction Welt (ich denke da an die Enterprise aus Star Trek, die vielleicht ähnlich viele Menschen durchs All transportiert und für mich immer recht eng wirkt durch die niedrigen Decken).
Ich liebe solche Aufhänger! Meine Fantasie schlägt Purzelbäume, wenn ich mir ausmale, was dieses Schiff alles für Geschichten bereithalten kann. Ascension schlägt hier von der Prämisse in denselben Kanon ein wie The Martian, Interstellar, Gravity und Sunshine. Mit knapp 4,5 Stunden Laufzeit über 6 Episoden (oder drei Kapiteln) lässt sich das auch gut an ein oder zwei Tagen wegschauen. Woran die Serie krankt kann ich erst im Spoilerteil erklären, aber ich hoffe, dass ich euch für diese Miniserie schon genug begeistern konnte. Ascension ist, soweit ich weiß, noch nicht in Deutschland erschienen (korrigiert mich). Abzüge gibt es vor allem für den Cast, den ich hier bei weitem nicht optimal finde. An 1-2 Stellen ist das Acting sogar richtig mies, aber im großen kein Grund zum Wegschauen. Schauts euch an!
[Spoilerteil ab hier]
Im Laufe der ersten beiden Episoden stellte ich als Zuschauer fest, dass irgend etwas nicht ganz richtig ist. Dass sich vieles falsch anfühlt. Warum gibt es z.B. normale Schwerkraft auf dem Schiff? Ein beliebter Treffpunkt ist z.B. die nachgebaute Standidylle um den Pool – ein wirklich ganz tolles Set. Aber es dürfte in dieser Form überhaupt nicht existieren, an Bord eines solchen Schiffes. Auch bekommen wir rasch die Außenseite zu sehen – die Erde. Ist Ascension dort ein großes Thema? Die größte Mission, die die Menschheit je geschaffen hat? Müsste mit dieser enorm fortschrittlichen Technologie nicht noch viel mehr realisiert worden sein – Marsmissionen und -Kolonien z.B.? Nein, auf der Erde weiß so gut wie niemand von dieser Mission, sie scheint größter Geheimhaltung zu unterliegen. Doktoranden scheinen dem Mysterium auf der Schliche zu sein, aber niemand weiß davon. Das ergibt keinen Sinn. Man reimt sich schließlich selbst zusammen, was der Grund sein könnte, dennoch entfaltet der große Wendepunkt am Ende von Folge 2 seine Wirkung komplett.
Von nun an prallen also zwei Welten aufeinander, wodurch Episoden 3-6 ganz anders wirken als die ersten beiden. Die Truman Show erhält nun Einzug, ebenfalls einer meiner Lieblingsfilme. Was natürlich befeuert wird, als dann auch noch jemand aus dem Schiff ins All verbannt wird und unmittelbar außerhalb des Schiffes von „der echten Welt“ zur eigenen Sicherheit in einer Zelle landet. Wie muss das sein, für jemanden, der zum ersten Mal von der Illusion befreit wird? Leider spielt Brad Carter die Rolle des Stokes für mich nicht sehr überzeugend, so dass dieser interessante Part in meinen Augen seine Wirkung nicht voll entfalten kann. Leider verliert sich der Plot im weiteren Verlauf dann etwas im Übernatürlichen. In gewisser Weise kann man argumentieren, dass dies ja das eigentliche Experiment des ganzen darstellt. Ellie O’Brien spielt ihre Rolle hervorragend, aber dieser zentrale Plot, der schließlich sowohl im Schiff als auch außerhalb alles ins zeitweilige Chaos stürzt, funktioniert für mich nicht – wahrscheinlich, weil ich mich nach all der in der Summe ganz guten Vorarbeit schlicht nicht darauf einlassen kann. Vielleicht seht ihr das ganze aber mit anderen Augen.
Als Fazit: Ich verneige mich vor dieser Idee und der Umsetzung, und die ersten vier Episoden bieten viel Raum für Phantasie. Der 60er Jahre-Flair ist für mich leider nur unzureichend ausgearbeitet, hier hätte man noch viel überzeugender sein können. Das Zusammentreffen vom Menschheitstraum – das All zu besiedeln -, und der Truman Show als schöner Wendepunkt nach zwei Episoden ist für mich der Höhepunkt dieser Miniserie. Definitv eine Empfehlung, auch wenn meine Wertung vielleicht etwas zu hart ist.
6/10 (Tendenz nach oben)
gesehen auf: Netflix TW