LOST. Was für eine Serie. Ich will hier mal versuchen, möglichst nicht zu spoilern, denn eines ist sicher: Wer mit dieser Serie angefangen hat, der wird sie
1. zuende schauen wollen und
2. um Himmels Willen alle möglichen Spoiler tunlichst vermeiden.
Angefangen hat es bei mir quasi in der Zeit, als Serienstaffeln auf DVD endlich bezahlbar wurden (wer erinnert sich noch an die Horrorpreise, die für die ersten Staffeln Star Trek oder Akte X verlangt wurden?). Genauer 2005. Das weiß ich noch ziemlich genau, da ich zu der Zeit bei der Bundeswehr war. Irgendwie gefiel mir das Thema der Serie, ich war zu der Zeit vollständig in der hochkarätigen Serie Akte X „drin“, und naja, bei der Bundeswehr hat man ja Zeit.
Worum geht's?
Eine Reihe von Leuten überlebt einen Flugzeugabsturz und landet auf einer scheinbar einsamen Insel. Mit einer Seelenruhe beginnen die Autoren, die vielen Charaktere vorzustellen und zusammen mit dem Zuschauer die unbekannte Insel zu erkunden. In Rückblenden erfährt man mehr über die einzelnen Charaktere und erfährt so nicht nur so einiges über deren Vergangenheit und warum sie überhaupt in dem Flugzeug von Sydney nach Los Angeles saßen, sondern kann bestimmte Aktionen der einzelnen Figuren viel besser einordnen und reflektieren. Dass hinter der Insel mehr steckt als ein „Glück im Unglück“-Zufall, dass man einen Flugzeugabsturz überlebt hat, wird recht schnell klar, sonst hätte die Serie auch nicht so viele Folgen.
Außergewöhnlich
In mehrerlei Hinsicht. Zum einen die Tatsache, dass die Serie sich um einen einzigen Plot windet. Man kann von so gut wie keiner einzigen Folge sagen, dass sie auch für sich alleine funktionieren könnte. Mit jeder Folge wird der Plot ein klein wenig weitergesponnen – von Season 1: Episode 1 bis Season 6: Episode 17. Dass so etwas funktioniert bedarf sicherlich einer enorm mutigen Planung, denn dass der Zuschauer wirklich bei der Stange bleibt ist ja nie vorherzusehen. Und ein vorzeitiges Einstellen der Serie wäre bei dieser Qualität sicherlich ein Skandal sondergleichen gewesen. Die Macher erlauben es sich sogar, nicht mal jede Folge mit einem „Bisher bei LOST“ einzuleiten – wohl gönnen sie sich aber den Luxus, gerne mal einen Cliffhanger ans Ende einer Folge zu setzen. Und die haben es teilweise in sich, besonders die Cliffhanger der letzten Folge von Season 1 und Season 5 sind so brutal, dass man sofort mit der nächsten Staffel weitermachen muss.
Welche Züge das ganze schließlich annimmt, das glaubt man erst wenn man es selbst gesehen hat. Auch wenn man vielleicht mal mit dem Kopf schütteln wird von mal zu mal – es lohnt sich, dranzubleiben.
Auch der Cast konnte weitestgehend gehalten werden, zumindest musste kein Charakter durch einen anderen ersetzt werden. Nein, besser sogar: Von einigen wird die Serie sogar als erste „Web 2.0“ Serie bezeichnet (ich hasse den Begriff). So mussten einige neu eingeführte Charactere sterben, nachdem sie bei den Zuschauern nicht sonderlich gut ankamen, die immer die Gelegenheit bekamen sich mit den Autoren auszutauschen und Feedback zu geben.
Kritik
Ganz kritikfrei bin ich gegenüber der Serie aber auch nicht. Zwar haben die Autoren versprochen, in den letzten Staffeln (und vor allem in der 6. Staffel) alle LOST-Mysterien zu erklären, dies gelingt ihnen jedoch bei weitem nicht. LOST muss daher einfach als eine Serie betrachtet werden, die etliche Mysterien schafft über die man sich nach jeder Folge erneut den Kopf zerbricht, und die am Ende einfach „zuende“ ist.
Ein Großteil der zweiten und der Beginn der dritten Staffel sind zudem wenig befriedigend was den Storyverlauf betrifft, man hat hier irgendwie das Gefühl, dass LOST etwas auf der Stelle tritt. Aber das geht auch in Ordnung.
Fazit
In jedem Falle ist LOST ein Werk, von dem man zumindest die fantastische erste Staffel gesehen haben sollte. Diese kann ich wirklich uneingeschränkt weiterempfehlen. Inwieweit man sich darüberhinaus in das LOST Mysterium hineinwagt überlasse ich jedem selbst, dennoch gehört LOST zu den großartigsten US Serien des letzten Jahrzehnts und zeigt auch schonungslos auf, wie die dortige Unterhaltungsindustrie derzeit aufgestellt ist: Serien: hui! Filmindustrie: Meh.
Für LOST Fans zu empfehlen ist übrigens auch das LOST Videospiel (PC, Xbox 360, PS3), welches hauptsächlich während der ersten beiden Staffeln angesiedelt ist und mit dem Beginn der dritten Staffel endet (weshalb ich es nach der dritten Staffel eingeordnet habe). Von der Spielmechanik her gar nicht so richtig gut gelungen, erzählt es aber eine nette Story in 7 kurzen Episoden von einem ebenfalls mit dem Flug 815 abgestürzten Passagier, der sich anfangs nicht an seinen Namen erinnern kann und von dem man sogar Rückblenden spielen kann.
Anfangs war ich schwer begeistert von Lost und konnte die nächste Folge kaum erwarten. Das war in Staffel 1. Dann kamen Staffel 2 und 3 und da verspielte die Serie bei mir jeden Bonus und hat mich so verärgert das null Interesse mehr übrig geblieben ist. In meiner Wahrnehmung fühlte ich mich als Zuschauer verarscht. Ursache sind die Anmaßungen der Autoren. Da kommt ein Twist und noch einer und noch einer und noch einer und noch einer, das war mir zu viel. Dann werden Handlungsstränge begonnen und nicht weiter geführt. Außerdem wird die Welt ständig erweitert um die andere Inselhäfte, den (nervigen) Bunker und dann auch noch die zweite Insel. Für mich schien es keine Konstanten mehr zu geben, keine innere Logik. Die Autoren schienen nach der genialen und durchdachten ersten Staffel einfach kein Konzept mehr zu haben außer die stetige Zuschauerverarsche.
Zur Entstehungszeit war das ein konzeptionelles Problem mehrerer Serien. Da wäre vor allem noch Heroes zu nennen. Eine genial durchdachte erste Staffel und dann ging es so rapide abwärts das man sich fragen musste ob es überhaupt jemals den Plan gab mehrer Staffeln zu drehen.
Auch nach all den Jahren ist Babylon 5 für mich ein Paradebeispiel wie ein konsistentes Serienkonzept über mehrere Staffeln auszusehen hat. Das ganze geriet nur etwas aus den Fugen weil der Sender zunächst nach Staffel 4 kappen wollte aber dann doch die finale fünfte Staffel bestellt hat.
Fazit: Ich mag Serien wo die Leute die dahinter stehen wissen was sie erzählen wollen also eine Vorstellung von der Ausgangslage und dem Ende haben. Generell stimme ich zu das das Niveau der Serienproduktionen in den letzten Jahren immens gestiegen ist.
Hast du denn nur die ersten drei Staffeln gesehen? Gerade die letzte Folge von Staffel 3 macht für mich doch sehr den Eindruck, dass die Autoren nun eine andere Richtung einschlagen, da hier eine komplett neue Erzählstruktur eingeführt wird (Vorblenden statt Rückblenden z.B.).
Ich müsste mal mit der letzten Staffel von 24 anfangen. Nachdem die siebte Staffel ja wieder deutlich besser war als die beiden vorigen hab ich da durchaus Hoffnung…
Ja weil wie gesagt nach Staffel 3 für mich der Ofen aus war.
Ich muss hier doch noch mal meinen Senf dazugeben. Anlass ist für mich die Aussage „Serien: hui! Filmindustrie: Meh.“ Grundsätzlich stimme ich dem zu, denn die Qualität von Serien ist in den letzten Jahren teils beeindruckend gestiegen ist und das Angebot ist sehr facettenreich geworden.
Dennoch, Serien die ihr anfängliches Niveau durchgängig bis zum Schluss halten, sich nicht irgendwann nur noch selbst zitieren als Schatten alter Glanzzeiten oder vor einem würdigen Finale eingestellt werden sind hochgradig selten. Ganz zu schweigen von einem staffelübergreifenden Konzept, wo quasi schon das Grundgerüst der gesamten Serie geplant ist. Das werden wir wohl aber so schnell nicht mehr sehen da rein aus finanziellen Aspekten her von Staffel zu Staffel entschieden wird ob eine neue bestellt wird oder nicht.
In diesem Sinne halte ich die Ausrufung eines neuen Abendlandes für verfrüht.